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Drei Wege führen nach Mons #KultourWallonie

Die Wallonie! Nachdem wir im vergangenen Jahr erstmals auf Einladung des Tourismusverband Belgien-Tourismus Wallonie den südlichen Teil des Nachbarlands Belgien erforscht haben, durften wir das im Mai erneut tun. Denn selbst wenn die Wallonie bei einem flüchtigen Blick auf die Landkarte überschaubar scheint – der Entdeckungsfaktor ist enorm hoch. Unsere Idee, dass jede von uns Herbergsmüttern zunächst auf unterschiedlichen Routen unterwegs ist und wir uns dann zusammen an einem Ort treffen, hatte sich bewährt. 2022 war es Namur, in diesem Jahr trafen wir uns in Mons.

Es ist kein Zufall, dass hier Wibke schreibt. Denn ich verknallte mich schon im letzten Herbst in die Stadt in der Provinz Hennegau, als ich Miró in Mons begegnete. Ob sich diese Zuneigung bei einem Wiedersehen vertiefen würde? Oder würde sie sich verflüchtigen? Ute und Mons fanden aus Gründen nicht recht zusammen. Jugendstil-Expertin Anke war im Maison Losseau genau richtig. Und ich?

Ich reiste wie im letzten Jahr mit Rad und Bahn und näherte mich Mons von Tournai aus. Nachdem Tournai etwas grimmig wirkte, heiterte mich das quirlige Mons umgehend auf. Die Stadt ist jung: Universität, Niederlassungen von Google und Microsoft, NATO-Hauptquartier, Gastronomie und Nachtleben – und nicht zuletzt Kunst in der Stadt. Aus ihrem Jahr als Kulturhauptstadt Europas 2015 hat die Stadt, die selbst nach Hinzunahme von Dörfern der Umgebung nicht über 100.000 Einwohner kommt, viel gemacht.

Allzu viel Pracht darf man aber nicht erwarten: hier wird mit wenig Geld gewirtschaftet und das lässt sich nicht durchweg verhehlen. Es gibt wie in vielen Städten Leerstände. An den Rändern zerfranst die Stadt unschön und die Gegend um den Bahnhof herum ist von ähnlich kargem Reiz wie andernorts auch. Als Reisezeit empfehlen sich die Sommermonate. Ich hörte von einer eher ernüchterten Reise im Januar, wenn das Draußen unwirtlich ist und das Granitgrau der Häuser sich mit dem Grau des Himmels verbindet … Das ist herausfordernd.

Doch wir Herbergsmütter reisten im schönen Mai. Die Wettergöttinnen waren uns gewogen und wir konnten bei bestem Reisewetter die Wallonie und auch Mons erkunden.

Nach und nach veröffentlichen wir Drei unsere Reiseerlebnisse in unseren Blogs. Wer im letzten Jahr schon die #KultourWallonie verfolgte: es wird wieder einen Walloniebüggel geben, also einen Beutel mit Dingen, die wir auf unseren Routen für Euch erworben und eingesammelt haben. Die Verlosung erfolgt im Laufe des Sommers zusammen mit Tipps für Reisen in die Wallonie.

Ankommen in Mons

Erstmal Mons. Ich traf schon am Freitagnachmittag ein und konnte abends das örtlich gebraute Bier kosten (empfehlenswert, gerade weil es ein für belgische Verhältnisse leichtes Bier ist). Ich freute mich über das lebendige Treiben in der Stadt und die Kunst in der Stadt.

Besuch in der Artothèque Mons

Am Samstag waren Anke und ich in der Artothèque Mons verabredet, die im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres eingerichtet wurde. Untergebracht ist sie in einem Ursulinenkloster aus dem 18. Jahrhundert. Nach dem Zweiten Weltkrieg war in dem Gebäude zwischenzeitlich ein Möbellager. Seit 2015 findet die geneigte Besucherin hier das Archiv mit Werken der städtischen Sammlungen. Ein Teil davon ist als zentrales Schaulager öffentlich zugänglich. Auch eine Bibliothek mit Arbeitsplätzen kann von jedem genutzt werden.

Die Architekten von l’Escaut Architecture und Atelier Gigogne haben die erhaltenen Gebäudeteile mit moderner Architektur verbunden, was etwa hier im Treppenhaus aufregend ist. Das Ergebnis gilt als Beispiel für „architectura povera“, denn es stand lediglich ein Budget von 5 Millionen Euro zur Verfügung. (Quelle)

Wir waren mit unserem Guide Jean-Luc unterwegs, der uns die Artothèque zeigte und erklärte, wie digitale Vermittlungsmethoden eingesetzt werden. Wir waren nicht so beeindruckt, wie es vielleicht beabsichtigt war. Man merkt solchen Methoden doch schnell an, wenn es über die einmalige Förderung hinaus weder Konzept noch Mittel für die Instandhaltung oder Weiterentwicklung gibt. Nun sind wir aber in dieser Hinsicht auch nicht leicht zu beeindrucken, denn nur weil es einen interaktiven Bildschirm gibt, rasten wir noch nicht begeistert aus. Das konnte Jean-Luc nicht wissen, aber zunächst redeten wir etwas aneinander vorbei.

Das änderte sich, als Mario hinzukam. Der zunächst zurückhaltende Sicherheitsmann stellte sich als Joker heraus. Jean-Luc bat ihn, uns das Depot zu öffnen. Es öffnete sich nicht nur das Depot, sondern auch Mario: er wusste enorm viel zu erzählen und wir waren kaum aus den Lagerräumen wieder hinauszubekommen. Kaum waren wir wieder im Erdgeschoss, kaum auch Ute dazu. Wir kramten noch im nicht ganz so ergiebigen Shop der Artothek und gingen hinaus, um Mons miteinander zu entdecken.

Das Glück erstreicheln

Vielleicht noch ein Wort zum Affen von Mons: das Glück heraufzubeschwören scheint eine spezielle Eigenheit in dieser Stadt zu sein. In der Artothèque findet derzeit eine Skulptur während der Renovierungsarbeiten am Rathaus Obdach. Wer ihm über den Kopf streichelt, sichert sich ein Jahr Glück. Aber nur mit der linken Hand streicheln! Ob der Affe das Meisterstück eines Schmiedes war, ein Pranger für Kinder (!) oder über einer Taverne thronte – die Herkunft des Affen ist ungeklärt, aber wir einigten uns alle auf die Geschichte mit der Taverne. Sie passt zu Mons und weshalb etwa ein Pranger Glück bringen sollte ..? Dem Affen begegnet man in Mons oft. Noch öfter begegnet man dem Hund, der im Stadtwappen das Stadttor bewacht. Und dem Drachen, der wiederum auf Doudou verweist. Aber dazu später.

Am Samstagnachmittag fuhren wir nach Grand-Hornu vor den Toren von Mons und begegneten dort Industriegeschichte, Kunst und Design an einem ungewöhnlichen Ort – und Filip Depuydt. Leider viel zu kurz, denn Filip konnte wunderbar von Grand-Hornu und seiner Geschichte erzählen. Aber zu Van Gogh kamen wir nicht mehr und dann erkundeten wir den Ort mit den verschiedenen Ausstellungen auf eigene Faust. Auch hier braucht es wohl einen erneuten Besuch, nicht zuletzt wegen des RIZOM, einem der besten Restaurants der Region. Dort waren wir nicht essen, aber in allen Tagen wurden wir hervorragend verköstigt. Dazu dann mehr, wenn wir den Walloniebüggel verlosen, verbunden mit weiteren Reisetipps.

In Mons führen viele Wege zum Glück

Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, bei meinem ersten Aufenthalt schon viel über Mons erfahren zu haben. Wie sehr ich mich getäuscht hatte! Denn am Sonntag waren wir mit Christian unterwegs. Unser Guide bestach nicht nur durch seinen stilvollen Auftritt, sondern auch durch faszinierende Geschichten über Mons, historische Details und skurrile Histörchen aus den Tiefen seiner inneren Schatzkammer. Stadtführung, wie lange wir denn Zeit hätten? Nun ja, vielleicht anderthalb Stunden, meinte ich. Am Ende waren wir fast vier Stunden unterwegs und keine Minute war zu viel. Eher immer noch zu wenig.

Zentrale Figur ist Waudru. Die Heilige Waltraud. Sie wurde im Anfang des 7. Jahrhunderts in Frankreich geboren. Sie heiratete den Grafen von Hennegau, Vincent Madelgarius, der auch  Maelceadar genannt wurde. Sie hatten vier Kinder. Als diese erwachsen waren (eins starb als Kind), beschlossen sie offenbar, sich geistlichen Dingen zu widmen. Maelceadar wurde benediktinischer Mönch und gründete ein Kloster im französischen Maubeuge. Waudru gründete ebenfalls ein Kloster und zwar in Castrilocus, das wir heute Mons nennen. Als Äbtissin versammelte sie Benediktinnerinnen um sich und führte für Frauen ein offenes, gastliches Haus, gab ihnen Arbeit, Unabhängigkeit und ein Zuhause, durchaus auch auf Zeit. In Not geratenen Menschen galt es zu helfen und sie und ihre Mitstreiterinnen taten es. An dieser Stelle bemerke ich, dass ich Christian zwar gespannt zugehört, mir aber wenig notiert habe. Über Waudru findet man leider nicht in der Tiefe Informationen, wie sie unser Guide zu erzählen wusste. Er erzählte uns eine Geschichte von humanem Engagement, Eigensinn und einer frühen Form des Feminismus. Von Waudru und ihrem Kloster ging eine große Kraft aus, die die Stadt meiner Wahrnehmung nach bis heute prägt.

In Lessines unweit von Mons wird mir im ältesten Krankenhaus Europas übrigens eine ähnliche Geschichte begegnen, wo Nonnen über die Jahrhunderte hinweg Tatkraft und Unternehmerinnengeist bewiesen.

Ducasse de Mons oder: Doudou

Waudru indes ist in Mons nach wie vor präsent: alljährlich werden auf einem goldenen Wagen ihre Reliquien (ihr Kopf) durch die Stadt gezogen und geschoben. Es ist Ducasse de Mons, auch Doudou benannt, das überwältigend große Volksfest, in dem Brauchtum, Heiligenverehrung und Feierlust mit der großen Sehnsucht nach Glück miteinander verbunden werden. Der Name Mons sagt es schon: es ist hügelig in der Stadt. Der Wagen wird von Pferden gezogen und die Bürger*innen der Stadt versammeln sich hinter dem Wagen, um den Pferden zu helfen, ihn in einem Rutsch den Hügel hinauf zurück zur Kathedrale zu bringen. Alles andere bringt Unglück!

Christian zeigt uns einen gülden schimmernden Stein im Pflaster der Straße – es ist die Stelle, an der der Wagen kurz hält. Hier wird Georges Raepers gedacht, der 1973 die Feierlichkeiten geordnet hat. Vorher hab es offenbar ein wüstes Durcheinander der Feierlichkeiten, deren Ursprünge in der Zeit der Pest liegen. Eine Zeit, die tiefe Spuren in der Region und in Mons hinterließ. 1349 fand erstmals eine Prozession statt, die die Dinge zum Guten wenden sollte. Der Heilige Georg und sein Kampf mit dem Drachen wurde einige Jahrzehnte später hinzugenommen – doppelt hält besser? Auf die Prozession folgt also der Drachenkampf, bei dem es für die Zuschauer gilt, Haare vom Schwanz des kämpfenden Drachen zu ergattern. Es winkt Glück für ein Jahr!

In der Kathedrale kann man Aufzeichnungen des Spektakels sehen, das das ganze Jahr über in der Stadt präsent ist. Es gibt ein Musée du Doudou, das ich unbedingt besuchen muss. Beim ersten Besuch in Mons fehlte die Zeit, diesmal war es – eine Woche vor Doudou – leider geschlossen. Im Entrée des Museums konnte ich aber noch die Ergebnisse des diesjährigen Plakatwettbewerbs bewundern, an dem sich alle Altersklassen beteiligen. Und dann hab es da noch diese Drachenkeulen aus Plüsch und weitere Skurrilitäten. Ich muss dorthin zurück, Ihr lest es selbst.

Die Engel von Mons

Auf einem der Plakate für den Doudou-Wettbewerb waren übrigens Engel zu sehen. Nanu? Christian erzählte von einer weiteren Legende, von den Engel von Mons. Und für diese Legende geht es nicht allzu weit in die Vergangenheit. Im Ersten Weltkrieg stiegen Engel in Gestalt von Bogenschützen vom Himmel herab und beschützten die britischen Soldaten am 23. August 1914. Vielleicht einer der Gründe, warum Mons nach wie vor eine besondere Bedeutung für die Briten und auch die Kanadier hat, denn hier gab es den ersten und den letzten Einsatz ihrer Truppen in diesem Krieg. Ob die Wahl für das NATO-Hauptquartier deshalb auf diese glücksbringende kleine Stadt fiel?

Mons ist nicht groß, aber voller Geschichten. Eine Führung ist unbedingt empfehlenswert. Und wenn Ihr das Englische nicht scheut, fragt nach Christian. Und vielleicht habt Ihr Glück und Ihr trefft mit ihm Menschen wie den Galeristen, der uns spontan auf eine Sneak Preview der Ausstellung mit Studierenden mit reinnahm.

Das Wissen der Welt im Zettelkasten: Das Mundaneum

Während Anke mit Ute das Maison Losseau erkundete, ging ich mit Christian noch ins Mundaneum.  Leonie La Fontaine, Paul Otlet  und Henri La Fontaine fassten Ende des 19. Jahrhunderts den Entschluss, das schriftlich gesicherte Wissen der Welt in Zettelkästen zu erfassen. Sie erstellten ein Répertoire Bibliographique Universel, ein Universelles Bibliographisches Verzeichnis, Grundlage der bibliothekarischen Ordnungssystem und eine Art Google aus Papier. Schön finde ich, dass Leonie La Fontaine, die mit Henri verheiratet war, hier gleichberechtigt mit den beiden Männern gewürdigt wird. Sie wird nämlich beinahe überall einfach nicht erwähnt, wie es so oft mit Frauen in der Geschichte passiert.

Ein Ort, an dem ich gern länger verweilt hätte. Doch Anke und Ute warteten und wir eilten zurück auf den großen Platz von Mons, wo Christians und meine Wege sich trennten. Unterwegs hielten wir noch kurz vorm Maison Losseau und Léon Losseau, der das Gebäude zu einem Fest des Jugendstils machte, gleich neben dem Gericht. Dort half er oft unentgeltlich Menschen, die sich keinen rechtlichen Beistand leisten konnten. Der Geist von Waudru. Da ist er wieder.

Danke, Mons. Es war wieder schön mit Dir. Für Bon Ducasse ist es in diesem Jahr zu spät. Und deshalb sage ich einfach Au revoir und auf Wiedersehen.

Hinweis zur Transparenz: Die Reisekosten wurden vom Tourismusverband Belgien-Tourismus Wallonie übernommen, inklusive Anreise und Auslagen. Herzlichen Dank für die schöne Vorbereitung und Betreuung während der Reise!

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