Der Bus füllte sich rasch. Etwa fünfzig Menschen trafen sich an einem sommerwarmen Samstagmorgen im Organeum von Weener: Orgelexkursion durch Ostfriesland!
Arp Schnitger und seine Zeit: Die Orgelexkursion, das Organeum und Winfried Dahlke
Die Orgelexkursion war eine von mehreren Exkursionen anlässlich des 300. Todestags von Arp Schnitger. Über seine Bedeutung schrieb ich kürzlich hier etwas. Auch auf den Text von Christian Spließ über die Geschichte der Orgel von Renaissance bis Neuzeit weise ich gern hin.
Dreh- und Angelpunkt der Orgelexkursionen ist das Organeum Weener. Das Organeum in Weener ist ein Orgelmuseum und wird von der Stiftung der Ostfriesischen Landschaft, der Evangelisch-reformierten Kirche und der Stadt Weener in Kooperation getragen. Gelegen in der reichen Orgellandschaft Ostfrieslands geht es vom Organeum aus öfter auf Tour. Musikalische Führungen und Konzertreihen bringen den Menschen die Orgeln und die Orgelmusik näher.
Künstlerischer Leiter des Organeums ist – neben seiner Tätigkeit als Landeskirchenmusikdirektor – Winfried Dahlke, der unsere Orgelexkursion an ebenjenem Samstag fachkundig begleitete.
Ihn trafen wir an vier Kirchen, in denen Orgeln der Schnitger-Zeit zu finden sind, erbaut von den Zeitgenossen des berühmten Orgelbauers. Von Arp Schnitger selbst sind nur noch wenige Orgel erhalten, etwa 30 von einstmals 170 Instrumenten, darunter eine in Norden und eine in Weener. Der Einfluss Arp Schnitgers war jedoch immens. Der Fokus unserer Exkursion lag daher auf Orgeln seiner Zeit, die von diesem Einfluss zeugen.
Begleitet wurde unsere Bustour ganz handfest von Frau Moenikes und Herrn Hebisch vom Förderverein des Organeums. Herr Hebisch lässt ausrichten, dass es eine sehr gute Reihe im NDR Kultur gibt: In zwölf Folgen durch Norddeutschlands Orgellandschaft.
Mit unserem Busfahrer Manni ging es los nach Buttforde, Dornum, Hohenkirchen und Bockhorn. Die Besuche sind nicht ganz einfach zu planen, denn natürlich durften zeitgleich etwa keine Hochzeiten sein. Und so fuhren wir ein wenig Zickzack. Das weite, struppige und immer etwas ungekämmt wirkende ostfriesische Binnenland lag im Sonnenschein. Wir fuhren durch hübsche Dörfer und Orte in Backsteinrot. Rot waren auch die Kirchen.
Die Kirchen in Buttforde, Dornum, Hohenkirchen und Bockhorn
An den Kirchen und an den Orgeln ließ sich ablesen, dass der Wohlstand in Ostfriesland kam und ging wie Ebbe und Flut. Vieles ist auch nur erhalten, weil zwischendurch kein Geld da war, um Neues zu erbauen oder die Orgeln gegen modernere Instrumente auszustauschen. Für uns heute ein Glück.
Ganz großartig war die Pastorin Ute Ermerling in Bockhorn, die sich das Mikro schnappte und uns eine formidable Einführung in die Geschichte der Kirche und ihrer Ausstattung gab. Das hätte ich mir für alle Kirchen gewünscht, denn was ich nachgelesen habe, sind das alles bemerkenswerte Gebäude. Übrigens alle aus dem 13. Jahrhundert, teils noch romanisch, teils schon gotisch, alle aber – natürlich – ursprünglich katholisch. Und so findet man hier und da noch Marienstatuen, von der sich manche Gemeinde nach der Reformation dann doch nicht trennen mochte.
Die Stars der Exkursion: Die Orgeln
Zwischen 1681 und 1722 wurden die vier Orgeln erbaut, die wir besuchten. Winfried Dahlke führte uns in die Geschichte der Orgeln ein, die teilweise Ergänzungen in jüngerer Zeit erhielten oder durch Restaurierungen wieder ihren ursprünglichen Klang oder ihre originale Bemalung erhielten.
So lautete der Text der Ankündigung:
Auf dieser zweiten Fahrt zu diesem Thema werden vier berühmte Denkmalorgeln der Schnitgerzeit und seiner unmittelbaren Nachfolger vorgestellt. Die Richborn-Orgel von Buttforde hat dabei einen legendären Ruf, dem die größte von Holy-Orgel in Dornum nicht nachsteht. Einzigartig ist auch die Kayser-Orgel in Hohenkirchen. Die Vater-Orgel in Bockhorn ist das vielleicht schönste erhaltene Werk dieses Schnitger-Schülers.
Aber nun, lasset die Orgeln erklingen!
Ev.-luth. St. Marien-Kirche Buttforde, erbaut von Joachim Richborn 1681
Ev.-luth. Bartholomäus-Kirche in Dornum, erbaut von Gerhard von Holy 1710/11
Ev.-luth. Kirche St. Sixtus und Sinicius in Hohenkirchen, erbaut von Joachim Kayser 1694, 1699
Ev.-luth. Kirche St. Cosmas und St. Damian in Varel-Bockhorn, erbaut von Christian Vater 1721/22
Orgel nicht nur hören, sondern verstehen
Orgeln ansehen ist gut und schön. Aber wenn Ihr die Gelegenheit habt: Geht hin, wenn ihr die Orgeln auch hören könnt. Der Klang erzeugt einen Raum. Er braucht auch Raum. In Dornum etwa kam mir alles recht gedrängt vor, so dass der Klang der Orgel nicht richtig erschallen konnte, so mein Eindruck. Obwohl die Orgel dort die zweitgrößte Ostfrieslands ist.
Einmal mehr wurde mir bewusst, dass Orgeln eigenständige Wesen sind. Der Organist (oder die Organistin, eine trafen wir in Buttforde) kehrt dem Kirchenraum seinen Rücken zu und wendet sich der Orgel zu. Er oder sie gibt sich ihr hin. Ein Rückspiegel hilft in der Kommunikation mit dem Pastor. Und jede Orgel ist anders. Mich bringt ihr Klang regelmäßig nach innen, ja, in eine Andacht. Gar nicht so einfach, sich dann noch Notizen zu machen oder an Bilder zu denken.
Wie erwähnt, gab es die fachlichen und kenntnisreichen Worte von Winfried Dahlke dazu. Es waren einige in der Gruoppe, die regelrechte Orgelnerds waren, Orgel „sprachen“ und auch selbst Orgel spielten. Es reisten auch andere mit, die Orgelmusik einfach lieben und ebenso überfordert waren von den fachlichen Erläuterungen zu den Orgeln wie ich.
Gerade bei einem solch langen Tag wäre ein wenig musikalische Erholung zwischendurch erfrischend gewesen. So wurden wir alle sehr gefordert. Aber: Wir hielten durch! Und am Ende gab es ein längeres Stück von Bach in der richtig schönen Kirche von Bockhorn.
Hilfreich zu Registern und Pfeifen fand ich die Erläuterungen auf der Orgelseite hier.
Übrigens gibt es im Rahmen des Schnitger-Jahren auch ein Social Singing: Das Romantische Abendliedersingen in Esklum, Driever und Grotegaste, eine etwas andere Orgelexkursion zum Mitsingen. Am 23. August – nichts wie hin!
Nun werde ich die gesammelten Orgelklänge an Luise Knoll für die Klangkarte senden. Luise Knoll ist die Projektleiterin der Kampagne Hoch empor. Orgeln in Niedersachsen. Sie lud mich ein. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich!
Die Kampagne Hoch empor. Orgeln in Niedersachsen übernahm meine Reisekosten, quartierte mich im sehr netten Gästehaus am Deich ein und zahlt ein Honorar für meine Beiträge im Blog und in Social Media. Auf dass die Orgellandschaft Ostfrieslands auch im Digitalen sichtbar werde!
Was wir übrigens vor Ort transparent kommunizierten. Mit überraschenden Folgen:
Bei Twitter habe ich wegen der Zeichenbeschränkung übrigens das Hashtag #hochempor verwendet.
Die Kampagne @hoch_empor bei Instagram.
Und noch ein Hörtipp:
Ein Orgelbauer muss vor allem schrauben können, von männlichen und weiblichen Registern und die versteckten Orgelpfeifen der @elbphilharmonie: Hörtipp. Tolle Reportage! #podcastliebehttps://t.co/pvbfXuYIWu#orgelnhochempor2019#schnitger3000
— Die Herbergsmütter (@herbergsmuetter) July 22, 2019
P.S. Und nach meinem Urlaub gibt’s noch einen Blogbeitrag drüben in meiner Zweigstelle über die Geschichten am Rande von meiner Reise nach Ostfriesland und seinen Orgeln. Da gab es die ein oder andere nette Begegnung und Begebenheit …
Diese junge Frau mit ihrem schwarzen Schopf unter uns grauen Orgelliebhabern
sah gar nicht aus, als ob sie solch einen genialen Bericht verfassen würde; hochkonzentriert war sie, dabei locker und sogar noch aufmerksame Beobachterin, die zuhören konnte: quel talent! Merci Wibke!
Liebe Brigitte Stephani,
Wibke ist im Urlaub, lässt aber folgende ausrichten:
„In guter Gesellschaft reist es sich gut! Das war ein langer und guter Tag. Auf dem Weg ins Burgund erreichen mich nun Deine Worte und ich freue mich sehr, liebe Brigitte. Auf weitere bereichernde Gespräche!“