Ich fand den selbskritischen Blogpost von Christian Henner-Fehr zum von ihm organisierten stARTcamp Wien sehr bemerkenswert und er hat ein paar Gedanken in mir hochgespült, die ich schon seit einiger Zeit mit mir herumtrage und ich will das zum Anlass nehmen, diese mal zu formulieren. Vorab: Christian, ich glaube nicht, dass, nur weil das stARTcamp Wien vielleicht nicht so ganz rund gelaufen ist, gleich in der ganzen Social Media alle Leidenschaft gestorben ist! 😉 Was ich festgestellt habe ist vielmehr, dass der stART-Spirit in den letzten zwei Jahren irgendwie flöten gegangen ist. Ganz kann ich das nicht erklären, ich habe ein paar Theorien: Die Anzahl an stARTcamps. Wir hatten das schon vor zwei Jahren angemerkt, dass man sich gegenseitig Teilnehmer, Energie und Ressourcen wegnehmen wird. Gar nicht mal unbedingt vor Ort, aber in der Gesamtheit der auch virtuellen Wahrnehmung und Teilnahme. Einerseits hat es die Community zersplittert – insbesondere in NRW, mit nun drei stARTcamps – andererseits findet durch die „hohe“ Frequenz theoretisch fast alle zwei Monate ein stARTcamp statt. Da sind dann einfach nicht mehr alle so fokussiert und aufmerksam. Es mag sein, dass es die regionale Vernetzung stärkt, ich sehe das nicht, lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen. Manchmal ist ja Verknappung ein probates Mittel …
Das zeichnet sich zum anderen ab in der Aktivität der diversen Facebookgruppen, in der gegenseitigen Unterstützung, die stark zurück gegangen ist, im Austausch, bis hin zu der Frage, ob diese Gruppen überhaupt noch moderiert werden – angesichts manch eigenartigen Postings. Das aber nur am Rande.
Was nun Kommunikation, Frontalvorträge, Dokumentation, Geben und Nehmen, usw. anbelangt, ist das m. E. die Aufgabe der Veranstalter, sich darum zu kümmern. Uns Herbergsmüttern wurde ja irgendwann mal der Flausch angehängt. Das war anfangs durchaus charmant und wir haben es als Kompliment genommen. Irgendwann wurde es allerdings etwas inflationär und es ging uns auch ein bisschen auf den Senkel, weil wir es so wie kille kille, wir haben uns alle lieb verstanden haben. (Ich kann nicht beurteilen, wie es ursprünglich gemeint war.) Das hatte Wibke dann auch an entsprechende Stelle adressiert. Sie hat darauf hingewiesen, dass wir ja schon doch etwas mehr zu bieten haben als nur Flausch.
Was aber ist dieser Flausch? Inzwischen sehe ich das anders und ich werde das jetzt mal entmystifizieren.
Flausch bedeutet eben nicht, kille kille, wir haben uns alle lieb, sondern es bedeutet, dass sich alle wohl, aufgehoben, wertgeschätzt und respektiert fühlen. Als Veranstalter ist man auch Gastgeber und im besten Fall ein guter Gastgeber. Und gute Gastgeberei macht Arbeit. Als Gastgeber reicht es nämlich nicht, die äußeren Rahmenbedingen, wie Location und Essen zu organisieren und Werbung zu machen. Es bedeutet, schon im Vorfeld über den Dresscode und die Hausregeln zu informieren, und nicht müde zu werden, die Spielregeln zu erklären, die richtigen Leute anzusprechen, die etwas darbieten und mitbringen wollen und können, dafür zu sorgen, dass nicht fünfmal Nudelsalat und achtmal Tiramisu mitgebracht werden. Die an die Hand zu nehmen, die es brauchen und die zu lassen, die Freestyler sind. Zu erkennen, wenn jemand ein Problem hat, wenn irgendwo etwas fehlt, Menschen miteinander bekannt zu machen und ins Gespräch zu bringen. Darauf zu achten dass alle genug zu essen haben und immer ein gefülltes Glas in der Hand. Den DJ im Auge zu behalten und wenn er miese Platten auflegt, zu intervenieren. Es ist nämlich kein großer Unterschied ob man Gastgeber einer Party, eines Barcamps oder einer sonstigen Veranstaltung ist.
Es bedeutet auch, nicht müde zu werden, die allgemeinen Barcampregeln zu mantramäßig zu kommunizieren (Dieser Artikel von Franz Patzig von 2007 ist da eigentlich immer noch das „Standardwerk“), mögen sie einem selbst noch so selbstverständlich erscheinen. Es ist dazu im Prinzip schon alles gesagt worden, aber noch lange nicht von jedem gehört, bzw. gelesen. Gerade in der stART-Szene ist doch der Anteil derer sehr hoch, die zum ersten Mal ein Barcamp besuchen und relativ frisch in der Social-Media Welt sind. Da kann man es nicht oft genug sagen, das nicht nur das Mitmachen vor Ort, sondern auch das Berichten von und über die Veranstaltung mit dazu gehören.
Gerade von uns, die wir in der Kreativ- und Kulturbranche arbeite erwarte ich, dass wir auch dazu animieren und ermutigen, mal was anderes, als einen Folien-Frontal-Vortrag zu halten. Es sind doch gerade mit Mitmachsessions, die nachhaltig in Erinnerung bleiben. Ich denke da beispielsweise an das basteln eines Social-Media Managers, die Cocktail-Session von Jo Reinhard oder die legendäre Session von Marc Belledin, bei der wir Websites nachgespielt haben. (Und ich packe mir gerade selber an die Nase)
Wir hatten bei den ersten beiden stARTcamps Köln die Ambition, live zu streamen, was schon ein bisschen bekloppt und ein irrer technischer Aufwand war, haben aber immer Videos aufgezeichnet und dafür gesorgt, dass „flächendeckend“ fotografiert wird. Natürlich gehören das einsammeln und aufbereiten der Dokumentation mit zu den Hausaufgaben des Gastgebers.
Bei Barcamps geht es in erster Linie darum Wissen miteinander zu teilen, Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Dafür braucht es natürlich auch entsprechenden Raum. Im wortwörtlichen, wie im übertragenen Sinn.
Und wenn dann alles geschmeidig läuft, Teilnehmer und Veranstalter abends beseelt und glücklich nach Hause schweben, dann ist Flausch.
Liebe Ute,
ein sehr guter Beitrag. Ich hatte bereits nach Christian Henner-Fehrs Post rekapituliert, wie eigentlich meine eigene Session über das Bloggen pro Kultur beim stARTcamp München 2013 verlaufen ist – jep, es war ein Frontalvortrag, auch wenn ich versuchte, das Auditorium durch gezielte Ansprache mit einzubinden. Als Feedback nannte jemand auch, dass er es gerne offener mit mehr Dialog gehabt hätte.
Ich kann zwar nicht wirklich basteln und singen wollt ihr mich bestimmt nicht hören, da fallen fast schon die Fließen in der Duschkabine von der Wand, aber ja, ich habe Lust bei nächster Gelegenheit das anders zu machen. Wie weiß ich noch nicht. Fakt ist, dass erst der Austausch ein Barcamp richtig spannend werden lässt. Da gab es einige gute Sessions in München, ich denke da nur an das Kultur-Klo, die Facebook-Frage, die Vorstellung der App der Bayerischen Staatsoper oder auch der kleine Stuhlkreis um die französische Museumsfrau, die erzählte und die wir löcherten – hier wurde nachgefragt und diskutiert. Tatsächlich sind mir diese Sessions in sehr guter Erinnerung geblieben.
Auch glaube ich, dass wir grundsätzlich unsere Austauschbereitschaft überdenken müssen. Ich weiß, jeder befindet sich in seinem Hamsterrad des alltäglichen Wahnsinns, trotzdem sollten wir ruhig bei anderen kommentieren und zwar in deren Blogs, denn das sind die Dialoge, die nachhaltig bleiben, weil sie sichtbarer als bei FB und Co sind und Anregungen noch viel später vermitteln können, da schließe ich mich ein. Sind wir es gewohnt zu hinterfragen, uns auszutauschen, dann kann eine Gruppendynamik während eines stARTcamps auch ganz anders ausschauen #andieeigeneNasepack.
Also, liebe Ute, merci für diesen Artikel, von wegen kille kille oder ja, Mut zum Austausch rauskitzeln.
Schönen Tag noch!
Tanja
Liebe Tanja,
ich finde es wirklich gut, wenn man sein eigenes Tun immer mal wieder auf den Prüfstand schiebt. Es ist sicher ein Umdenken erforderlich, wenn man aus den Gewohnheiten heraustritt und es ist nicht leicht, Menschen zum Mitmachen anzuleiten. Aber wenn es klappt, ist es super. Man hat es sicher auch mit einer gewissen Erwartungshaltung zu tun. Ich erlebe es immer wieder, dass man erstmal in erschrockene Gesichter blickt, wenn es heißt: jetzt seid ihr dran! Das ist nämlich Arbeit 🙂 Am Ende sind aber alle immer happy, wenn sie mitgemacht haben!
Was ich an den stARTcamps schätze: hier kann man auch mal neue Formate ausprobieren! Lasst uns diese Möglichkeit in Zukunft ruhig häufiger ausprobieren! #dingedieichmirvornehmenwill
Liebe Grüße von Anke
Liebe Tanja, danke für Deinem schönen Kommentar. Der Gag ist ja, Du brauchst ja gar nicht basteln oder singen zu können, Du brauchst nur die anderen dazu zu motivieren. Wir können auch nicht singen! 😉
Keinen Vortrag zu halten bedeutet natürlich auch, dass man nicht mit seinem tollen Fachwissen glänzen kann. Damit meine ich jetzt natürlich nicht Dich, der Gedanke kam mir nur gerade. Dass aber andererseits gerade durch die offenen Mitmachformate andere und besonders Barcamp-Newbies dazu animiert werden, auch etwas anzubieten. ‚Augenhöhe‘ ist vielleicht noch eine wichtige Vokabel, die in meinem Beitrag fehlt.
Dein Hinweis auf das kommentieren in Blogs ist auch wichtig und gut. Das kann man auch nicht oft genug wiederholen. Wobei man da dann eher am konkreten Thema ist, in den den Sozialen Netzwerken mehr bei einer Community. In meinem Beitrag bezog ich mich allerdings konkret auf die stARTcamp-Orga-Community-Gruppen in Hinblick auf den verlorenen Spirit.
Danke für Deinen Beitrag, Ute, der für mich einige wichtige Punkte enthält. Zu den stARTcamps selbst: Ja, es sind einige, das stimmt, aber auf der anderen Seite muss im Kultur- und Kreativbereich einfach Platz sein für mehrere stARTcamps. Ich finde, dass jedes der stARTcamps in NRW ein eigenes Profil hat und denke da immer ein wenig an Theater, Museen, etc., die ja eine viel größere Konkurrenz haben und denen wir immer erzählen, wie sie sich gegenüber der „Konkurrenz“ behaupten, offline und online.
Das Format stARTcamp: Frontalvorträge können oft nervig sein, aber ganz verteufeln würde ich sie nicht. Generell ist es aber sicher richtig, vermehrt auf andere Formate zu setzen. In Wien gab es auch nicht nur Frontalvorträge, wer wie ich die kleineren Sessions besucht hat, konnte sehen, dass es oft keinen Vortrag, sondern nur Diskussionen gab. Ich finde die Anregung mit dem Stuhlkreis sehr gut und werde die Idee das nächste Mal umsetzen. Die Anordnung der Stühle beeinflusst die Interaktion ganz sicher. Die Austauschbereitschaft ist nämlich in meinen Augen vorhanden, wir müssen nur dafür sorgen, dass aus der Bereitschaft zum Austausch ein Austausch wird.
Dafür ist es unter anderem auch wichtig, die Barcampregeln immer und immer wieder zu erklären. Ich habe das relativ schnell abgehandelt und werde das beim nächsten Mal wieder ausführlicher machen.
Die fehlende Leidenschaft, die ich im Blogpost angesprochen habe, ist aber etwas, was mir generell abgeht, das bezog sich gar nicht so sehr auf das stARTcamp, sondern die Art und Weise, wie wir Social Media machen. Social Media ist für mich keine Technik, sondern dahinter verbirgt sich eine Haltung. Dazu gehört eben auch der kollaborative Ansatz und das Wissen, dass es nachhaltiger und ressourcenschonender ist, miteinander und nicht gegeneinander zu arbeiten. Vom Erfolg gar nicht zu reden…. Social Media wird oft verwaltet, habe ich den Eindruck und das würde ich gerne wieder ändern bzw. in Erinnerung rufen, dass es, wie Du, Ute ja auch in Deinem Kommentar unter einem meiner Blogbeiträge geschrieben hast, um Kommunikation geht. Und wenn die funktionieren soll, dann braucht es die Leidenschaft, die ich sehr oft vermisse.