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Social Media, quo vadis? Das Monatsthema und wir

Worüber wir gerade viel nachdenken …

[Ute]

Social Media hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Die Algorithmen, die Intentionen und Absichten. Plattenformen kamen, Plattformen gingen. Im Bereich der Kultur, in dem wir uns bewegen, hat es sich immer mehr zum Reklame- und Marketing-Instrument entwickelt.

Viele Menschen, mit denen wir uns vor über 10 Jahren intensiv und freudvoll ausgetauscht haben, nutzen gar kein Social Media mehr und es ist eine allgemeine SocialMüdia zu erkennen. Der Gedanke von sharing ist caring scheint aus dem Internet verschwunden zu sein. Mein ewiges Mantra “put the Social in the Media” verhallt im leeren Raum.

Seit Twitter unbenutzbar geworden ist, hat es auch die Kultur-Bubble auf den textbasierten Plattformen versprengt. Wir sind weder bei Mastodon (das zwei von uns privat sehr gerne nutzen), noch bei Bluesky oder Threads heimisch geworden.

Wir bespielen seit einiger Zeit eigentlich nur noch Instagram (mit Zweitverwertung bei Facebook), das zwar regelmäßig, aber wir fragen uns, warum eigentlich. Keine von uns ist außerhalb des beruflichen Kontext noch richtig motiviert, da viel Zeit und Liebe reinzustecken. Auch unser RotationCuration-Konzept scheint nicht mehr aufzugehen. Viele Jahre haben wir uns im 14-tägigen Rhythmus abgewechselt und die Accounts bespielt – jede nach ihrem Geschmack. Vor gut einem Jahr haben wir uns entschieden, jeweils auf ein Monatsthema zu setzen, auch um uns selbst besser zu unterhalten und zu motivieren.

Aber jetzt ist irgendwie der Wurm drin. Für mich ist es teilweise zur lästigen Pflicht geworden, die Sichtbarkeit unserer Accounts geht gegen Null.

Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, einfach mal eine längere Pause einzulegen. Erst mal für einen Monat, dann mal schauen.

[Anke]

Wo einst Leichtigkeit und spontaner Austausch im Vordergrund standen, spürt man heute oft Schwere, Unsicherheit, Überfülle. Natürlich gibt es noch die Lust, kreativ zu sein, Bilder zu kuratieren, Gedanken zu teilen. Doch gleichzeitig stellt sich die Frage: Kommt das, was man mit Sorgfalt teilt, überhaupt noch bei jemandem an – und wenn ja, mit welcher Wirkung?

Es geht nicht um Likes oder Reichweite. Es geht um echtes Interesse, um Resonanz, die nicht nur algorithmisch erzeugt ist, sondern menschlich. Aber genau diese Resonanz scheint seltener geworden zu sein. Der Austausch verschiebt sich, die Aufmerksamkeit zerstreut sich, und damit auch die Freude am Gestalten. Vielleicht ist es deshalb an der Zeit, eine kleine Pause einzulegen. Um neu zu spüren, was wir teilen wollen, warum wir es tun – und wie sich echtes Interesse vielleicht wiederfinden lässt.

[Wibke]

Ich erinnere mich noch gut an die Jahre, in denen Social Media Aufbruch ins kreative und dörfliche Miteinander bedeuteten. Nischenkultur. Wortspielkunst etwa damals im Rahmen der 140 Zeichen ohne Bilder beim alten Twitter. Oder die Videoschnipsel von wenigen Sekunden bei Vine, die Begeisterung für Bilder aus dem Alltag im frühen Instagram. Schmerzerfüllt wohnen wir dem Verfall von Social Media bei. Die Verführung der Massen durch Daumen hoch und Daumen runter, Reichweite durch Affekt und Empörung, alles für den Klick – und am Ende einfach ein paar Millionen Dollar mehr in den Taschen der zunehmend faschistisch agierenden TechBros, die ihre Bunker in Neuseeland und Alaska bauen oder ihre Kaiserreiche im All errichten.

Und dennoch.

Nach wie vor passieren gute Dinge in Social Media, den sich verschlechternden Rahmenbedingungen zum Trotz. Kreativität, Mitgefühl, Nachbarschaftshilfe, Sichtbarkeit von Gutem oder dem, für das es sich einzusetzen lohnt.

Es gibt das Fediverse mit Mastodon, ein dezentrales Netzwerk ohne Kommerz und Konsum, ohne das pausenlose Auswerten von Tipp- und Klickverhalten. Als langweilig verschrieen bei allen, die ein Miteinander über Bande und mit langer Weile (gar) nicht gewöhnt sind.

Es gibt Ideen wie unser Monatsthema. Aber vielleicht ist es auserzählt. Ein Experiment, nicht mit offenem Ende. Wir werden sehen. Mir macht es nach wie vor Freude.

Und dennoch.

Was uns in den vergangenen Monaten besonders viel Freude gemacht hat …

[Anke]

Das selbst auferlegte Monatsthema war jedes Mal eine kleine Kreativ-Aufgabe, die das Sammlerinnen-Herz erfreute. Ich habe besonders gerne die Postings gesehen, in denen eine kleine Zeitreise unternommen wurde. Absolut gefeiert habe ich Utes Auftritt als Model

Richtig stark fand ich aber auch Wibkes Performance

Instagram gibt einem die Vorlage, dass man ganz hervorragend Bild und Ton zu einem Dialog der Künste verbinden kann. Aber vielleicht geht das beim schnellen durch den Feed verloren. Ihr könnt ja mal sagen, ob ihr sowas überhaupt wahrnehmt, wenn man da längere Texte schreibt. Zugegebenermaßen lese ich auch nicht immer alle ausführlichen Captions. Vielleicht hat das Monatsthema vor allem die Selbstreflexion befeuert. Ich jedenfalls habe sehr gerne auch in alten Fotos von mir gekramt und damit das Thema Zeit zum Beispiel mit meinem Konterfei illustriert.

Jetzt, wo ich so drüber blicke über unsere Gallery, ist das ein geniales Archiv. Finde es total schön, dass wir das gemacht haben. Jetzt machen wir Pause und dann gucken wir mal.

[Ute]

Bei Anke und Wibke haben mir alle Beiträge gut gefallen, in denen ich etwas über sie erfahren haben, was ich noch nicht wusste – obschon wir uns ja nun auch schon ganz schön lange kennen. Zu Beispiel die Geschichte von Anke und dem Kleid ihrer Oma.
Anke in den 80er Jahren im Kleid ihrer Oma

Bei Wibke waren es ihre Gedanken zum Thema Rituale (beim Essen).

Wibke als Kind am Küchentisch

Bei meinen Beiträgen hatte ich den meisten Spaß an den kleinen Videos in Vine-Manier, auch mit dem Sound.

Ute bereitet Tee in ihrer Küche zu

[Wibke]

Ein Monatsthema. Drei Herbergsmuetter. Jede Woche unabgesprochen ein Beitrag zum Thema.

Wie viel habe ich durch unser kreatives Projekt von Anke und Ute erfahren! Ähnlich wie bei Wenn zuhause die Kunst einzieht: #wastingtimewithart #kunsthalleathome bin ich ganz verblüfft, wie unterschiedlich, manchmal auch verwandt wir Kreativität leben. Je weniger bedeutsam Social Media werden, desto mehr lasse ich los und probiere auch mal Performances oder versuche, die für mich gewohnte Form zu sprengen. Das tut gut. Auch die Resonanz darauf.

Stark fand ich etwa den Beitrag zum Thema Verpackungsmüll von Ute. Gesellschaftskritik, Reflexion, Kunst. Monatsthema MATERIAL.

Monatsthema NATUR. Mit Anke in die Berge. Jahr für Jahr verfolge ich gern, wenn es mit Anke in die Berge geht. Das ist was, zwischen Anke und den Bergen, das ist spürbar. Ihr Beitrag brachte mich ihrer Faszination und ihrer Sehnsucht näher. Und auch Anke selbst.

Ein eigener Beitrag, den ich mochte, passt zu unseren Überlegungen über Social Media. Es sind alles Bilder, die vor 13 oder 14 Jahren entstanden. Sie wirken wie Polaroids aus einem anderen Jahrhundert. Und entstanden im UNTERWEGS sein.

Eine schöne Wunderkammer haben wir uns mit dem Monatsthema geschaffen. Und vielleicht ist wieder Zeit für etwas Neues. Vielleicht finden wir etwas Heilsames inmitten all des Irrsinns ringsum? Vielleicht brauchen wir aber auch dringend eine PAUSE. (War übrigens ein Lieblings-Monatsthema von mir.)

Beitragsfoto: Oliver Schwarz

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15 thoughts on “Social Media, quo vadis? Das Monatsthema und wir
  1. Ich verstehe Euch gut – und dennoch gehört ausgerechnet Ihr für mich zu den ganz Guten und ich werde Euch auf Insta vermissen. Denn auch dort fehlt mehr und mehr das „Dröpje voor Dröpje Kwaliteit“. Bis bald!

  2. Ich kann es Euch sehr nachfühlen, würde Euch aber gerade, weil Ihr alle so recht habt mit dem, was Ihr schreibt, sehr vermissen. Liebe Grüße!

    1. Wir bleiben dran und mal gucken, was wir draus machen. Zeit für Reflexion ist einfach goldrichtig. Wir freuen uns aber total über positive Nachrichten. Das erwärmt das Herz.

  3. Hallo ihr Herbergsmütter, ich kann euch so gut verstehen! Ich folge euch ja nun schon gefühlte Ewigkeiten. Bin nicht mehr auf X und poste selbst fast nichts mehr. Ich habe euch zuletzt so wahrgenommen, dass ihr für euch untereinander postet – ein wenig wie Pfeifen im dunklen Wald.
    Wir alle haben Social Media als Aufbruch, als soziales Plus verstanden. Es war toll – das ist nun vorbei. Von „social“ ist (fast) nichts übrig geblieben. Was bleibt:
    Ich fand euch, die Herbergsmütter, immer super, ehrlich! Lasst bloß die Köpfe nicht hängen! Es geht weiter!
    Es winkt heftig Jutta

    1. Wir winken rüber zu dir nach Bonn, liebe Jutta. Vielleicht gibt es ja nochmal wieder einen zündenden Funken, dass sich das Social Ding wieder beleben lässt. Wie Wibke ja auch schrieb – es gibt schon gute Ecken. Man muss vielleicht auch nochmal die eigene Erwartungshaltung hinterfragen. Ich persönlich kam z.B. mit keiner Alternative zu Twitter zurecht und verdrücke so manches Tränchen, dass uns dieser Austauschraum genommen wurde. Aber hier die Kommentare sind auch einfach wieder sehr schön.

  4. Ihr Lieben,

    keine Internet-Bekanntschaft hat mich in den letzten 15 Jahren so erfüllt, wie die Eure! Ich warte gespannt auf Eure immer perfekt kuratierten Fotos und Begleitgeschichten. „Gehe“ mit Euch in Museen, den Garten, durch Köln und auf Städtereisen im In- und Ausland. Eure Liebe zu Kunst-, Architektur und dem Zauber des Alltäglichen ist einzigartig. Vielen Dank, dass Ihr trotz der unschönen Entwicklung „unseres“ social Webs so lange durchgehalten habt!

    Ich warte geduldig auf Euer Comeback!

    Euer Fan aus dem Rhein-Main-Gebiet! Daniela

    1. Liebe Daniela, es ist absolut schön, dass unsere Kultur-Bubble doch auch schon so lange Bestand hat. Wir zehren auch von den lange gewachsenen Vernetzungen. Liebe Grüße und auf bald. Anke

  5. Ihr Lieben, wie alle anderen auch, kann ich euch gut verstehen. So viele Jahre ist es her, dass wir uns ‚im richtigen Leben‘ getroffen haben. Mit Freude, ein wenig Melancholie und viel Dankbarkeit erinnere ich mich an die Zeiten der startCamps in Köln und vielen anderen Städten. Unglaublich welche Möglichkeiten diese ersten Jahre im Social Web uns geboten haben, so viele wunderbare Menschen zum Kennenlernen. Und ihr wart ganz vorne mit dabei. Wie schön, dass uns die sozialen Medien die Chance bieten virtuell ein wenig am Leben der lieb gewonnenen Menschen teilhaben zu können. Ihr habt das jede auf ihre Art ganz wunderbar umgesetzt. Unterhaltsam, informativ, persönlich, bunt, um es mit Wibke zu sagen ‚hach‘, einfach gut. Danke dafür.

    Mir geht es leider sehr ähnlich, ich bin social-media-müde und lese fast nur noch bei Menschen rein, die mir etwas bedeuten und deren Lebensweg ich nicht verlieren möchte. Pause von allem anderen ist also keine ganz schlechte Idee.
    Zum Glück seid ihr ja nicht weg 😍
    Bis bald und danke fürs Social Singen 🎶🎵 Claudia

    1. Oh ja, wir müssten mal wieder singen. Das öffnet das Herz! Das war auch immer mein absoluter Lieblingsmoment beim Kölner stARTcamp, wenn es ans Singen ging. Ich weiß, dass da auch einige dabei waren, die sich geniert haben. Aber es gibt nichts Schöneres, als wenn alle im Einklang einstimmen. Aber wir finden was Neues. Den Blick nach vorne gerichtet. Irgendwie sind wir ja auch in den letzten Jahren echt ziemlich gebeutelt worden. Und die Rahmenbedingungen für Kultur werden nicht besser. Da müssen wir dringend etwas Positives dagegen setzen. Ganz liebe Grüße aus dem Rheinland nach Bayern

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