Hausbesuch

Hoch empor: Arp Schnitger und eine Orgelexkursion

Arp Schnitger – schon allein sein Name klingt. Der Orgelbaumeister war über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Halb Europa wollte eine Orgel von ihm, Komponisten von Weltruf reisten nach Hamburg, um die größten Orgeln ihrer Zeit zu sehen und vor allem zu hören. Ihr Klang gilt als einzigartig und stilbildend.

Das ist nun über drei Jahrhunderte her. Drei Jahrhunderte. Was für ein Zeitraum. Drei Jahrhunderte mit Kriegen und Friedensschlüssen, umwälzenden Erfindungen und erschütternden Katastrophen, kleinen und großen Geschichten der Menschen und der Menschheit. Heute sind noch dreißig von 170 Orgeln aus den Werkstätten Arp Schnitgers erhalten, zwanzig davon in Niedersachsen.

Vor 300 Jahren, im Jahr 1719, starb Arp Schnitger. Er betrieb Werkstätten in Hamburg, Stade, Bremen, Groningen, Lübeck, Magdeburg und Berlin. Seine Orgeln fanden ihren Weg über die See bis nach Russland, England, Spanien, Portugal und Brasilien. In Hamburg baute er 1682 für die St.-Nikolai-Kirche die damals größte Orgel der Welt. Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach reisten damals nach Hamburg, um Schnitgers Orgel zu erleben.

Berauschender Klang in der Stille

Es muss in der Tat ein gewaltiges Erlebnis gewesen sein. Wir sind heute große Sounderlebnisse gewöhnt, doch wie war das im 17. Jahrhundert? Zumal in einer bäuerlich geprägten Welt, in einem Landstrich, den man heute noch gern wegen seiner Stille bereist? Wer mal auf Landpartie zwischen Weser und Ems war, mag sich an die stille Weite erinnern, das vom Wind zerzauste Binnenland mit seinen Sielen und struppigen Wiesen. Heute mischt sich das Rauschen der Autos unter die Stille und das ferne Kreischen der Meeresvögel, aber damals …?

Man stelle sich vor, wie die Mitglieder einer kleinen Kirchengemeinde in den Marschlanden zwischen Elbe und Weser, gewöhnt an die reduzierte Klangwelt ihrer weitläufigen Umgebung, an die raumgreifende Stille von Seeluft und Nebel, eines hohen Festtags des ausgehenden 17. Jahrhunderts die Kirche St. Jacobi d. Ä. in Lüdingworth betraten: Aus minuziös abgestuften 56 Pfeifenreihen über 35 Registern atmete ihnen das órganon von der Westempore her ein Klangerlebnis überwältigender akustischer Vielfalt entgegen, einen barocken Megasound bei niedrigster Deckenhöhe, perfektioniert für die Darstellung eines Orgelrepertoires, das sonst nur in den hohen hanseatischen Stadtkirchen zu hören war.

hochempor-niedersachsen.de/arp-schnitger-in-niedersachsen

(Ich kann mich selbst noch gut erinnern, wie ich lange Zeit Jahr für Jahr zu den Orgelfeierstunden in den Kölner Dom gereist bin. Gerade die Komponisten des Barock hatten es mir angetan. Charles-Marie Widor etwa. Er schüttelte mich gewaltig durch. Hört Euch auch gern mal an, was Dominik Sustek macht, der Organist in Sankt Peter in Köln.)

Orgeln für alle

Schnitger baute nicht nur Orgeln für die Städte, sondern sorgte auch in den kleinen Gemeinden Niedersachsens für den rechten Klang in den Kirchen. Man sagt von Arp Schnitger, dass er ein bescheidener und gottesfürchtiger Mann war, dieser jüngste Sohn eines Tischlers, der im letzten Jahr des Dreißigjährigen Krieges in einem kleinen Ort in der Wesermarsch geboren wurde. Er verstand sein Handwerk als einen Dienst zur Ehre Gottes und war nicht auf Bereicherung aus. Und so finden sich auch in ehemals armen Gemeinden seine Orgeln.

Und wo im lutherischen Norden die Kirchen im Vergleich zum katholischen Süden mit Stuckverzierungen und allerlei Zierat recht nüchtern wirken: Die Orgeln sind von üppiger Fülle in Ausstattung und Klang. Die Kirchenmusik erhielt in der evangelischen Liturgie eine immer größere Bedeutung: Orgel und Gemeindegesang klangen miteinander hoch empor. Arp Schnitgers Orgeln setzten hierbei einen neuen Maßstab. Der Barock gilt ohnehin als die Blütezeit des Orgelbaus und der Orgelmusik, nicht zuletzt dank Johann Sebastian Bach.

Das Musikland Niedersachsen ehrt Arp Schnitger in seinem 300. Todesjahr auf vielfältige Art und Weise. Besonders schön finde ich die Klangkarte, auf der man die Standorte der erhaltenen Barockorgeln von Arp Schnitger findet und teilweise auch anhören kann. Fehlende Klänge kann man einreichen.

Klangkarte Arp Schnitger

Arp on Tour: Orgelexkursion in Ostfriesland

Nicht zufällig wähle ich hier die Orgel in Weener. Denn dort nehme ich auf Einladung des Musikland Niedersachsen am 27. Juli an einer Orgelexkursion in Ostfriesland teil. Da schlägt das geneigte Ostfriesenherz selbstverständlich höher! Der Direktor des Organeums in Weener, Winfried Dahlke, wird die Exkursion begleiten, die uns zu vier Orgeln führen wird.

Arp Schnitger und seine Zeit II: Auf dieser zweiten Fahrt zu diesem Thema werden vier berühmte Denkmalorgeln der Schnitgerzeit und seiner unmittelbaren Nachfolger vorgestellt. Die Richborn-Orgel von Buttforde hat dabei einen legendären Ruf, dem die größte von Holy-Orgel in Dornum nicht nachsteht. Einzigartig ist auch die Kayser-Orgel in Hohenkirchen. Die Vater-Orgel in Bockhorn ist das vielleicht schönste erhaltene Werk dieses Schnitger-Schülers.

hochempor-niedersachsen.de/_arpontou-r_

Eine Fahrt über das Land: Ich bin gerade nicht sicher, ob noch Plätze frei sind. Zu erfahren ist dies unter 04951 / 91 22 03, wo man sich auch anmelden kann. Falls Ihr zufällig in der Gegend seid (Samstag, 27.7., Start in Weener, Dauer: 9-19 Uhr).

Hoch empor

Hoch empor heißt es, hoch empor werden die Klänge streben, himmelwärts. Ich werde darüber bloggen und, ein wenig abhängig vom Netz, live oder im Anschluss von der Orgelexkursion bei Instagram und Twitter berichten. Die Initiative zum 300. Jubiläum des berühmten Orgelbauers Arp Schnitger ist ebenfalls bei Instagram und das Hashtag lautet  #orgelnhochempor2019. 

Wer nun denkt, dass Orgeln ja etwas von Früher seien: In Deutschland gibt es 400 Orgelbauwerkstätten mit etwa 2.800 Mitarbeiter*innen und etwa dreieinhalbtausend hauptamtliche und Zehntausende ehrenamtliche Organist*innen (ein Gruß an Christian Spließ, Orgelfluencer par excellence).

Und vielleicht erinnert sich der ein oder die andere noch an die Orgelmaus, eine Geschichte von Abenteuer und Musik? Vielleicht reist sie ja wieder mit, wer weiß!

+++ Dieser Blogbeitrag entsteht im Rahmen der Einladung als Bloggerin zur Orgelexkursion der Initiative „Hoch empor – Orgeln in Niedersachsen“ des Musikland Niedersachsen und des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur zum 300. Todestag von Arp Schnitger. Die Kosten der Reise werden übernommen und ein Honorar wird gezahlt. Herzlichen Dank! +++

 

 

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3 thoughts on “Hoch empor: Arp Schnitger und eine Orgelexkursion
  1. Liebe Wibke Ladwig,

    den Artikel über Arp Schnitger und die Orgeln finde ich sehr gut wie überhaupt die Arbeit der „Herbergsmütter“. Aber Charles Marie Widor ist doch kein Barockkomponist. Er hat von 1845 bis 1937 gelebt.

    Mit besten Grüßen,

    Annette Leu

    1. Liebe Annette Leu,

      herzlichen Dank für den netten Kommentar. Und Sie haben mit Widor natürlich vollkommen Recht: Ich hatte das falsch im Gedächtnis, weil mir mal jemand erzählte, dass Widor Barockes mit der Musik des 19. Jahrhunderts verquickt. Nun habe ich nochmal nachgeforscht und Interessantes darüber hier gelesen: https://repertoire-explorer.musikmph.de/en/product/widor-charles-marie-9.

      Zitat: „Die intensive Auseinandersetzung mit Bach – die sich bereits am Beispiel früherer Werke zeigen lässt – führt zu einer Synthese barocker Kompositionstechniken mit der Musiksprache des späten 19. Jahrhunderts.“

      Herzlichen Dank für die Korrektur!
      Und ebenso herzliche Grüße, Wibke Ladwig

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