Wibke hat schon ausführlich den Kontext und die Hintergründe zur bauhütte 2019 beschrieben. Ich habe den ganzen Mittwoch dort verbracht und in meinem Kopf surrt es immer noch.
Versuch einer Sortierung:
Ich startete bei herrlichstem Wetter in der Marienkapelle und platzte mitten in eine Vokalimprovisation. Wunderbar. In der Akustik einer Kirche klingt immer alles gut und Mehrstimmiges sowieso. Nach der dritten Impro habe ich gleich mitgemacht. Da Singen und Summen eh glücklich macht, war es der perfekte Auftakt für den Tag.
Danach schaute ich in Junkerhaus, wo die Workshops von Antiform stattfanden, um zu gucken, was die Kids dort machten. Das Haus war ein Hort der Kreativität. Es ist absolut fabelhaft zu sehen, was dort produziert wurde: utopische Entwürfe für Wohnhäuser, Plakate, Streetart, Druckwerkstatt. Ich bekam gleich große Lust, mitzumachen.
Nach dem Mittagessen startete die „Bau-Hütte / Denk-Hütte“ mit drei Vorträgen: Der Kölner Dombaumeister Peter Füssenich reportierte die Baugeschichte des Kölner Doms und gab am Ende kurze Einblicke in die Dombauhütte. Hier hätte ich mir ein bisschen mehr Interna und Gossip aus der historischen und aus der aktuellen Dombauhütte gewünscht statt einer chronologischen Dokumentation.
Jasper Cepl, Professor für Architekturtheorie an der Hochschule Anhalt in Dessau berichtete vom Projekt BAUHUETTE – Campusdach 100 Jahre Bauhaus Dessau. Er erläuterte den Bauhüttengedanken des Bauhaus, der (in meiner Interpretation) in der Essenz mündet: Proportion; Ordnung und Regelwerk. Das entspricht auch dem Hierarchiegedanken der mittelalterlichen Dombauhütte, was am Bauhaus wohl ähnlich war und diesbezüglich hat dort keine gesellschaftliche Veränderung stattgefunden (siehe das Thema Frauen am Bauhaus)
Begeistert hat mich dann der lebendige Vortrag der Künstlerin Ute Reeh – und ihre Folien!
Der Dreh- und Angelpunkt ihrer Arbeit sind Prozesse. Für ihr Projekt des Wiesencafés arbeitet sie zusammen mit Förderschüler*innen. Sehr lesenswertes Interview.
An dieser Stelle sei auch gerne auf die Tagung „Unendlich viele Freiheitsgrade im öffentlichen Raum“ des Zentrum für Peripherie Anfang März 2020 hingewiesen.
Im Anschluss an die Vorträge gab es die „Werkstätten“ Papier/Erde/Glas. Nun ja, eigentlich war nur Erde eine wirkliche Werkstatt. Mit Ute Reeh wurden Lehmziegel geformt. Wir konnten Wünsche aufschreiben, diese einkapseln und in die Ziegel versenken. Diese Ziegel werden dann mitverbaut, wenn das Wiesencafé realisiert wird.
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Im Auftrag des Leopold-Hoesch-Museum/Papiermuseum Düren hat die Künstlerin Susanne Müller-Geiger einen Baum mit Papierstreifen verwickelt, auf die schöne und wichtige Worte geschrieben wurden. Die Moderne im Rheinland bot eine kleine Präsentation ihres Projekts Glas-Galaxien.
Der Tag endete mit einer Denkhütte als Runder Tisch zum Thema Kathedrale, moderiert von Michael Köhler. Sendetermin: 3.10., 18:04 „Forum“ auf WDR 3. Auch bei dieser Diskussionsrunde blieb ich wieder am Begriff „Prozess“ hängen.
Mal abgesehen davon, dass es ein wirklich schöner, ereignisreicher Tag war, in einer schönen Landschaft, bei schönem Wetter, surren mir viele Fragen und Gedanken durch den Kopf.
Ein Zwischenfazit:
1919 zog es ein paar Künstler*innen und Schriftsteller*innen aus der Stadt in ein abgelegenes Dorf, um dort zu leben, zu lieben, zu trinken, zu arbeiten und zu denken – „Das Ziel war dabei – dem 1919 in Weimar gegründeten Bauhaus vergleichbar – nicht nur eine neue Ästhetik, sondern eine Vernetzung von Kunst und Leben für eine offene, europäische Gesellschaft.
Hundert Jahre später – wo wir ganz dringend wieder eine offene, europäische Gesellschaft brauchen – finden sich am gleichen Ort wieder intellektuelle und kreative Menschen zusammen, um den Faden aufzunehmen und weiterzuspinnen.
Künstler*innen aller Genres (Musik, Literatur, Theater, bildende Kunst) arbeiten vor Ort, Kinder strotzen vor Kreativität und produzieren fabelhafte Dinge, Intellektuelle reden und diskutieren und Jedermann und Jedefrau kann dabei sein und teilhaben.
Allerdings war mein Gefühl, dass das alles doch sehr nebeneinander und wenig miteinander stattgefunden hat. Dass die Verbindung tatsächlich durch die Vermittlung in den digitalen Raum stattgefunden hat (ein interessanter Aspekt!). Dass es leider wenig Beteiligung von außen, aus einem nicht-künstlerischen / nicht-intellektuellen Kontext gab. Gab es eine Verbindung zu den „Einheimischen“? Gab es diese vor 100 Jahren?
Vielleicht ist das nur meine private Wahrnehmung, vielleicht fügt sich alles am Freitag bei der Abschlusspräsentation zusammen?
Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass es im nächsten Jahr eine Wiederholung gibt, dass der Prozess weitergeführt wird.
Hinweis: Dieser Beitrag entstand im Rahmen des honorierten Auftrags der Veranstalter*innen der Bauhüttenwoche in Simonskall.
Was für ein intellektueller Dünnpfiff!
Hm, was genau meinen Sie denn damit? Die Veranstaltung an sich? Die Aktionen, die Vorträge? Die Art, wie ich darüber geschrieben habe? Wir würden uns freuen, wenn Sie das etwas konkretisieren könnten.